Summer of Pioneers
Interview: Projektleiter Jonathan Linker spricht über Ideen, Projekte und Perspektiven
"Die Mühe für Campus-Konzept hat sich gelohnt"
Das Projekt „Summer of Pioneers“ ist am 1. Mai 2021 in Homberg (Efze) gestartet. Mit Freude und Hoffnung auf viele gemeinschaftliche Erlebnisse und Projekte kamen die 20 Pioniere in Homberg an. Einige verspäteten sich auch wegen der Pandemie etwas, andere sagten wegen Corona kurzfristig ab. Frei gewordene Plätze wurden nachbesetzt. Jetzt sind alle da und sie trafen sich mit Projektleiter Jonathan Linker, um Ideen, Projekte und Perspektiven zu besprechen. Projektideen gibt es viele, zwei von ihnen: „der Landsitz“ und „Open Office“, sind bereits umgesetzt worden. Ein drittes befindet sich in Arbeit: die Restaurierung und Bepflanzung eines brachliegenden Gartenareals am Burgberg als Ort der Begegnung in Kooperation mit Schulen und dem Jugendzentrum.
Uwe Dittmer sprach mit Jonathan Linker über Planungen, das kreative Potential, das in den jetzt schon geplanten 24 Projekten steckt und über die Perspektiven für Homberg.
Interview mit Jonathan Linker, Leiter des Homberger Projektes von KoDorf
Erst einmal „Herzlichen Glückwunsch“ für den Start des Summer of Pioneers in Homberg. Es war ja wegen Corona kein leichter Start dieses städtischen Projekts. Wie ist denn die Stimmung aktuell bei Dir und den Pionieren?
Die Mühe für das besondere Campus-Konzept, das wir für Homberg geplant haben, hat sich gelohnt: Die unmittelbare Nähe der Wohnungen zueinander und die Arbeitsplätze direkt am Markt lösen Begeisterung aus. Ich habe diese Nähe sicher ein Dutzend Mal betont, von „Pantoffeldistanz“ gesprochen und Luftbilder gezeigt - trotzdem war es für die Teilnehmer:innen eine echte Überraschung, als sie in Homberg angekommen waren – und das spricht ja für die Qualität des Marktplatzes. Corona und die zuletzt hohen Fallzahlen im Kreis sind eine Herausforderung für die Gruppe: Einerseits ist da eine große Dankbarkeit für die herzliche Aufnahme in Homberg, andererseits bremst die Pandemie aktuell noch persönliche Begegnungen. Den Mitarbeitern vom Bauhof, die uns eine großartige Unterstützung sind, haben die Pioniere zähneknirschend Präsentkörbe gebracht; lieber hätten sie schon mehr getan. Die Pioniere begegnen sich aktuell noch vornehmlich digital aber eben auch zuverlässig zufällig auf dem Marktplatz: Auf dem Weg zur Arbeit, zum Einkaufen, zu den beiden gemeinsam genutzten Waschmaschinen oder beim Gassi-gehen mit dem Hund. Das bringt Leben ins Projekt und trotz Corona Präsenz auf den Marktplatz. Wenn es bei den Projektideen so früh schon einen gemeinsamen Nenner gibt, dann den Fokus auf diesen wunderbaren Platz, dessen Potenzial bisher vielleicht am ehesten donnerstags zu Tage tritt, wenn Wochenmarkt ist.
Die Pioniere haben sich am Freitag, dem 28. Mai, auf dem Homberger Marktplatz in einem Pavillon auch schon den Fragen der Homberger Bürgerinnen und Bürger gestellt. Ihr möchtet diesen Ort auch während des Wochenmarktes nutzen, um mit den Hombergern ins Gespräch zu kommen. Wie war Deiner Meinung nach dieser erste Kontakt und was haben wir künftig an dieser Stelle zu erwarten?
Etwas gemeinsam zu bauen ist ja immer eine super Grundlage fürs gegenseitige Kennenlernen. Es war der erste Tag mit verlässlichem Sonnenschein und die Inzidenzen waren erstmals über mehrere Tage unter 100. Unser Kalkül war möglichst viel Krach zu machen. Wir haben Kappsägen, Elektrohobel und Schlagschrauber benutzt, damit klar wird: Da passiert was. Den Kubus (wir suchen gerade noch nach einem griffigen Namen) haben wir gebaut, um in den Dialog mit den Menschen in Homberg zu kommen, die wir wegen Corona aktuell noch nicht in den Coworking Space einladen können. In der kommenden Woche folgen hier Einladungen an die Homberger:innen, Fragen zu notieren und Hinweise zu geben, außerdem sollen hier die Projekte der Pioniere im Lauf des Sommers vorgestellt werden. Wir platzieren (abwaschbare) Stifte, mit denen auf den großen Kunststoffplatten geschrieben werden kann und freuen uns über das Feedback der Homberger:innen
Die Pioniere haben jetzt schon 24 Projekte auf ihrer To Do-Liste. Dahinter steckt ein hohes Potential an Kreativität von Menschen, die die unterschiedlichsten Fähigkeiten mitbringen. Es fällt auf, dass die einzelnen Projekte zum einen sehr bodenständig sind, wie z.B. das Gemeinschafts-Garten-Projekt und das Herstellen einer Parkbank. Zum anderen geht es aber auch um Skills (Projekt: Skill Faktor) , die Schaffung kostenloser digitaler Arbeitsplätze (Projekt: Work at Hom(e)berg) oder mit dem Projekt „Next New Normal“ um die Stärkung der digitalen Zusammenarbeit der Menschen in der Region. Wenn man sich die Liste anschaut, dann entsteht der Eindruck, dass das aufgrund der Komplexität in einem halben Jahr nicht zu schaffen ist. Soll der Summer of Pioneers in Homberg vielleicht darüber hinaus fortgeführt werden?
Diese Diskrepanz zwischen der sehr haptischen Bodenhaftung, die man hier auf dem Land und in der Natur erfährt, und den noch etwas abstrakt wirkenden Chancen der Digitalisierung ist für uns das besondere am Summer of Pioneers. Diese zwei Welten zusammen zu führen und zusammen zu denken, hat etwas von Balance und von Ausgleich und danach schreien viele gesellschaftliche Entwicklungen, die wir gegenwärtig erleben. Die Pioniere sprudeln über vor Ideen und natürlich wird sich manches nicht in sechs Monaten umsetzen lassen. Die Projekte sind das Geschenk der Pioniere, das bleibt. Gute Ideen können wir auch im kommenden Sommer noch gebrauchen und natürlich setzen wir das Projekt gerne auch fort. Das haben wir im zurückliegenden Summer of Pioneers in Wittenberge in Brandenburg gemacht und das ist auch in Homberg vorstellbar. Wenn das eine oder andere Projekt in der gegebenen Zeit nicht zu schaffen ist und, negativ gesprochen, „scheitert“, dann ist auch das durchaus im Interesse des Summer of Pioneers. Scheitern ist kein Problem, Chancen nicht zu nutzen und Dinge nicht zu probieren aber schon. Der Summer of Pioneers ist auch ein Experimentierfeld, denn davon haben wir allgemein viel zu wenige.
Wo liegen eigentlich hauptsächlich die Arbeitsschwerpunkte, welche Bereiche in Homberg sollen Unterstützung und Verbesserungen erfahren?
Das größte und wichtigste Ziel des Projekts ist es zu zeigen, was digitales Arbeiten für unsere Region bedeutet. Was es bedeutet, für einen Bürojob nicht mehr täglich nach Kassel oder Frankfurt pendeln zu müssen oder gar umzuziehen, sondern seine Arbeit genauso gut von Homberg aus erledigen zu können. Heute verlassen viele Menschen ihren Wohnort täglich für eine Arbeit, die sie praktisch von überall aus erledigen können. Diese Menschen fehlen deshalb auf den Straßen, in den Cafés und Geschäften – und deshalb wirkt auch Homberg nicht wie eine Stadt mit 14.000 Einwohnern. Wer Lebenszeit durch den Verzicht auf lange Pendelstrecken gewinnt, der ist auch wieder offener für kulturelle Angebote, für Engagement vor Ort, für seine Nachbarschaft. Die Pioniere sind schon einen Schritt weiter, sie arbeiten schon ortsunabhängig und wollen für sich herausfinden, ob das neue Leben und Arbeiten auf dem Land auch eine Option für sie ist und was dafür gegebenenfalls noch fehlt. Entlang dieses Prozesses entwickeln sie Ideen und Projekte über die wir in einigen Wochen sicher schon konkret sprechen können.
Wie intensiv bindet ihr Kooperationspartner in Homberg ein?
So weit sind wir noch nicht. Wir bündeln aktuell die Ideen innerhalb der Gruppe und bauen Strukturen auf, die die Gruppe arbeitsfähig macht. Bis zum Wochenmarkt am 10. Juni wollen wir aber erste Ideen präsentieren und wir sind gespannt, welche Ideen der Pioniere vielleicht längst auch schon Menschen vor Ort treiben, um die Kräfte zu bündeln. Zunächst müssen wir die Ideen der Gruppe aber erst noch strukturieren und zugänglich machen.
Was möchtest Du nach diesem halben Jahr Summer of Pioneers mindestens erreicht haben und sagen können?
Dass Homberg und sein Summer of Pioneers möglichst viele Menschen zu neuen Perspektiven inspiriert hat und die Stadt und seine Bürger:innen den Strukturwandel mutig und selbstbewusst gestalten.