Stadtentwicklung
„FreiRaumStation“- Projekt der Homberger Pioniere
„Eine Stadt kurz vor dem Erwachen“
Bis vor kurzem klang der Begriff „Leerstand“ noch eher abschätzig, wenn Geschäftsflächen in einer Stadt ungenutzt blieben. Welche Wertschätzung die Homberger Pioniere diesen Flächen entgegenbringen und welche Nutzungschancen sie in diesen Räumlichkeiten sehen, das zeigt ein neuer Begriff: „Freiraum“.
Er beschreibt zukünftige Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten, neue Angebote und Geschäftsmodelle. Katrin Hitziggrad ist Teilnehmerin des Summer of Pioneers und Initiatorin des Projektes „FreiRaumStation“. Sie und Mitinitiator Johannes Kramarek leiten das ambitionierte Projekt und stellten die neuen Ideen vor kurzem bei einem Rundgang der Öffentlichkeit vor. Unterstützt werden sie von Pionieren, dem Fachbereich Wirtschaftsförderung der Stadt Homberg (Efze) und den Eigentümern der Immobilien. Die gewählten „FreiRaumStationen“ sollen gemeinwohlorientiert mit Leben gefüllt werden. Ihr Projekt versteht sich als Initialzündung und Katalysator für neue Nutzungskonzepte, die die Räume nachhaltig beleben könnten.
Bunte Klebebänder markieren die ersten fünf „FreiRaumStationen“
Bunte Klebebänder säumen fünf leerstehende Gewerbeflächen, die so manche bei einem Gang durch die Innenstadt schon wahrgenommen haben.
Die Pioniere Hitziggrad und Kramarek möchten auf den Leerstand und die Potenzialflächen aufmerksam machen. In den nächsten Wochen werden sie mit der einen oder anderen Gewerbefläche intensiver arbeiten, es sollen noch mehr „FreiRaumStationen“ entstehen. Mit den Klebebändern die Objekte sichtbar zu machen, das war die Idee von Johannes Kramarek. Der Kommunikationsdesigner hat einen Großteil seines Lebens in Werbeagenturen verbracht. Heute betreut und berät er mit seinem Designstudio Agenturen und Unternehmen bei der strategischen und visuellen Neuausrichtung und arbeitet als Design-Dozent. Er möchte mit den farbigen Klebebändern Aufmerksamkeit schaffen, Inspirationen für neue Nutzungen geben.
Katrin Hitziggrad hat viel Erfahrung in der Immobilienwirtschaft gesammelt, die sie auch in Homberg einsetzt, um Leerstände zu neuem Glanz zu verhelfen. Katrin Hitziggrad baute in Jena die Agentur für Zwischennutzung auf und ist Koordinatorin der Thüringer LeerGut-Agenten. Das Netzwerk unterstützt gemeinwohlorientierte Immobilienprojekte mit Expert*innen. Sie arbeitet freiberuflich im Bereich Immobilien- und Leerstandsmarketing.
„Freie Räume sind in Homberg im Gegensatz zu den großen Städten noch zu finden. Die farbigen Linien an den Schaufenstern der „FreiRaumStationen“ symbolisieren ein buntes Netzwerk, eine Diversität und es geht um „Miteinander“, sagt Katrin Hitziggrad.
Und so haben die Beiden zusammen mit den anderen Pionieren gleich mehrere Fensterscheiben von Räumen in der Homberger Altstadt mit diesen bunten Linien versehen und können auch schon einige dieser Orte mit Veranstaltungen oder Projekten verbinden.
Inspiration für leere Räume
Sie sollen schon bald mit Kunst, Kultur oder leckerem Essen bespielt werden. „Wenn Räume erwacht werden, wird ins Bewusstsein der Menschen gerückt, welche neue Nutzung in diesen Räumen möglich ist“, sagt Johannes Kramarek.
Und so ist beispielsweise im ehemaligen Schuhhaus Koch in der Untergasse 14 ab Mitte September eine kreative und schöpferische Auseinandersetzung von Raum und Kunst in Form von Kunstausstellungen mit lokalen und überregionalen Künstlern geplant.
Auf der Ladenfläche des ehemaligen Sportfachgeschäfts Athletico, Untergasse 6 soll eine offene Werkstatt entstehen. Dort, wo einst auch eine Schuhwerkstatt angesiedelt war, sollen auf 200 Quadratmetern Reparatur- und Bastelmöglichkeiten für Jugendliche realisiert werden. Diese Werkstatt soll zur Berufsfindung und Berufsbildung dienen, sagt Johannes Kramarek. Nach und nach soll sich dort ein außerschulischer Lernort etablieren, an dem etwa unter Anleitung Fahrräder repariert werden könnten. Da das Projekt auf Gemeinnützigkeit ausgelegt ist, sucht das Team aktuell noch eine Förderung, so Johannes Kramarek.
An der Ecke Untergasse/Holzhäuser Straße 6 soll das ganze Haus genutzt werden. „Sobald die Fragen der Verkehrssicherung geklärt sind, stehen hier auf jeder Etage jeweils zwei Räume zur Verfügung“, erklärt Katrin Hitziggrad.
Dort können sie sich Ausstellungen und Lesungen vorstellen. Kurzfristig sollen Exponate lokaler Künstler im Schaufenster gezeigt werden.
Im ehemaligen Lindy Store, Westheimer Straße 1, ist die Zwischennutzung zwar noch nicht klar definiert, jedoch könnte in dieser Gewerbeeinheit ein digitaler Ideen-Laden entstehen. Wichtiges Element des Ideen-Ladens ist das Projekt „Digital Souverän Homberg“ von Pionier Jens Best.
Die ehemalige Tourist Information, Marktplatz 19 und die Löwenapotheke, Marktplatz 14 werden als temporäre Arbeits- und Workshop-Räume der Pioniere genutzt. Beide Freiräume erfahren demnach schon eine temporäre Zwischennutzung. In der ehemaligen Löwenapotheke kochen und essen die Pioniere zudem gemeinsam. Hier sollen außerdem Kochevents in einer Pop Up-Küche stattfinden.
Alle diese Veranstaltungen sollen den Besuchern und möglichen Interessenten einer Zwischen- oder Neunutzung neue Perspektiven und Impulse für eine Nutzung der Räumlichkeiten ermöglichen.
„Die Offenheit der Immobilieneigentümer in Homberg und den Vertrauensvorschuss, den wir für unsere Arbeit schon erhalten haben – ist eine tolle Erfahrung und durchaus bemerkenswert“, sagt Katrin Hitziggrad.
Johannes Kramarek beschreibt die aktuelle Situation in Homberg: „Ich wünsche mir mehr Lebendigkeit in der Stadt, sie hat riesiges Potential, sie liegt zwar noch im Dornröschenschlaf, ist jedoch kurz vor dem Erwachen.“ (di)